Forschungsschwerpunkte:


ErzΣhlen im Kontext der Massenmedien.

1. Journalismus als ErzΣhlen.

Wer die Auseinandersetzung literarischer Autorinnen und Autoren mit Formen des Journalismus beschreibt, geht von zwei scheinbar selbstverstΣndlichen Beobachtungseinstellungen aus: Es besteht eine gesicherte Vorstellung von Person und Rolle des Autors, und seine Gebrauchsprosa wird gezwungenerweise im Kontrast zur literarischen gesehen.
Einen anderen Blickwinkel er÷ffnet der Zugang vom journalistischen Alltagstext her: Fragt man nach Dekontextualisierung und damit Entpragmatisierung verschiedener journalistischer Formen, zeigt sich, da▀ hier schon der Autor viel weniger klar zu fassen ist (vom freien Mitarbeiter ⁿber das erkennbare Mitglied einer Kommunikatororganisation bis zum Kollektiv einer Nachrichtenagentur) und da▀ der ▄bergang vom reinen Sachtext zur Fiktion schon in den Routinetexten alltΣglicher Berichterstattung beginnt.
Es geht also darum, Fragen der Literaturwissenschaft, insbesondere der ErzΣhltheorie, an alltagsjournalistische Texte zu stellen und auf diese Weise der Pragmatisierungshandlung des Schriftstellers die Entpragmatisierung des Journalismus entgegenzusetzen.
Auch wenn es ⁿblich geworden ist, die Gⁿltigkeit der Kategorien des ErzΣhlens auch fⁿr nichtliterarische Texte zu reklamieren, ist bisher noch kaum versucht worden, Instrumente der literarischen ErzΣhltheorie konsequent auf alltagsjournalistische Produkte anzuwenden. Die Suche nach ErzΣhlstrukturen und ihren Funktionen in den Informationsmedien konzentrierte sich bisher in erster Linie auf den Dokumentarfilm. Inwieweit die dabei erarbeiteten Modelle auf andere, journalistische Texte angewandt werden k÷nnen, mu▀ erst noch geprⁿft werden. Kaum thematisiert worden sind andere klassische Fragen literarischer ErzΣhlforschung: Eine Intensivierung der Forschung auf diesem Gebiet wⁿrde nicht nur der Publizistikwissenschaft wichtige Impulse geben, die immer noch auf der Suche nach einem Textbegriff ist, der ihr (vorwiegend systemtheoretisch orientiertes) TheoriegebΣude ergΣnzen k÷nnte. Sie wⁿrde auch Querbeziehungen festigen zwischen literaturwissenschaftlichen und anderen (linguistischen, geschichtswissenschaftlichen) AusprΣgungen der Textanalyse.
Die Literaturwissenschaft k÷nnte davon profitieren, da▀ mit diesem Vorgehen die literarische Produktion in ein Modell gesetzt wird, das erarbeitet wurde ausgehend von Texten des alltΣglichen Gebrauchs.

Wichtige Forschungsliteratur

Eigene Vorarbeiten (Jⁿrg HΣusermann, Deutsches Seminar)

M÷gliche Dissertationsprojekte:



2. ErzΣhlen im Film.

Der Film ist in gro▀en Teilen seiner Produktion und Verbreitung (als Spielfilm) ein narratives Genre, aber seine Verfahrensweisen sind im deutschsprachigen Schrifttum kaum untersucht. Das ist umso auffΣlliger, als wichtige Filme der letzten Jahrzehnte etwa die Filme Alexander Kluges, Wim Wenders (besonders 'Der Himmel ⁿber Berlin', Peter Greenaways und Theo Angelopoulos) das ErzΣhlproblem im Zusammemnhang mit poststrukturalistischen Konzepten explizit thematisieren und problematisieren und damit die Grenzen der vor allem durch das Hollywood-Kino gesetzten Standards der filmischen Fiktion sprengen. Der gewohnte 'RealitΣtseindruck des Kinos' (Metz) wird fragwⁿrdig, womit eine Tendenz zur Entpragmatisierung verbunden ist. Zugleich werden aber Versatzstⁿcke aus Dokumentarfilmen als eines ursprⁿnglich pragmatischen Genres auf verfremdende und befremdliche Weise verwendet. Diese avantgardistischen Momente fⁿhren aber an eine Grenze in den Rezeptionsgewohnheiten des Kinopublikums, dem der Film als Massenmedium um den Preis von TrivialitΣt Rechnung tragen mu▀. Aus diesem Grunde sind etwa Fassbinder und Reitz bewu▀t zu den Verfahrensweisen des traditionellen ErzΣhlkinos zurⁿckgekehrt. Zugleich wird aber eine neue Form des interaktiven ErzΣhlens postuliert. Wie jedoch ErzΣhlen im Film organisiert ist, wird auch in den amerikanischen Untersuchungen (Chatman, Branigan, Bordwell) und in semiologischen Arbeiten (etwa Metz) noch nicht befriedigend erklΣrt. Das Problem ist Gegenstand einer Reihe von Lehrveranstaltungen, die seit einigen Jahren in Tⁿbingen durchgefⁿhrt werden und die die Eignung erzΣhltheoretischer Positionen der Literaturwissenschaft (LΣmmert, Stanzel, Stierle, Genette) fⁿr eine modifizierte Beschreibung filmischer Verfahrensweisen erproben. Auf eine Publikation der Ergebnisse wurde angesichts von deren VorlΣufigkeit und der Langfristigkeit des Forschungsvorhabens bisher verzichtet, jedoch sind eine Reihe von Dissertationen abgeschlossen oder in Vorbereitung.

Wichtige Forschungsliteratur

Eigene Vorarbeiten (Klaus-Detlef Mⁿller, Deutsches Seminar)

S.o. ErlΣuterung zum Forschungsschwerpunkt und Anhang B (abgeschlossene Dissertationen und laufende Dissertationen in diesem Zusammenhang)

M÷gliche Dissertationsprojekte



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© '96 Deutsches Seminar, UniversitΣt Tⁿbingen Letzte Änderung: 23.07.96